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Teil II



Der Samstagmorgen fand mich am Boden zerschmettert.
Von zwei halben Litern Tuborg hatte ich einen Mörderkater, die Doppelkekse hatten über Nacht Luftfeuchtigkeit gezogen und schmeckten fad und pappig, und - ach, ja - da hatte ich ja auch noch ein Wohnmobil mit Motorschaden, in dem ich mich gerade zu Tode fror, da die Heizung leider nicht mit Strom lief und ich Gas noch nicht an Bord hatte...
Die Zukunft, wie ich sie mir nicht vorgestellt hatte, begann...

In der Werkstatt, die sogar samstags offen hatte, waren immer noch alle sehr freundlich zu mir. Ich bekam einen Kaffee angeboten, und sämtliche Ersatzteildatenbanken, auf die Mercedes-Benz Zugriff hatte, wurden elektronisch nach einer möglichen Lösung für mein Problem befragt.

Gleichzeitig wurden auch alle Kollegen danach befragt, aber mehr als dicke Fragezeichen in allen Gesichtern schien dieser Vormittag nicht herzugeben.
Allerhöchstens noch einen ganz und gar infernalischen Kostenvoranschlag:
Der Einbau eines Original-Mercedes-Benz-Austauschmotors mit Garantie und allem käme mich unterm Strich incl. Arbeitszeit (Aus-/Einbauen der Vorderachse nicht vergessen!) und Märchensteuer auf astronomische 5.612,05 Euro...!!!

Geknickt lungerte ich daraufhin in den Räumen dieses Autohauses herum und wußte noch viel weniger, was ich denn jetzt machen sollte, als alle anderen.

An dieser Stelle ist allerdings noch einmal ein Dank fällig, und zwar ein riesengroßer.
Der Freundlichkeit und Hilfe des Leiters der Nutzfahrzeugabteilung, Herrn Mauersberger, war es zu verdanken, daß ich zumindest halbwegs meinen Kopf behalten konnte.
Er schlug mir schließlich auch vor, den Manni zunächst ruhig ein paar Wochen auf dem Gelände des Autohauses stehenzulassen. Der Platz dafür wäre vorhanden, und vielleicht täte sich ja innerhalb dieser Gnadenfrist doch noch irgendein Silberstreif am Horizont auf...
Das erschien mir in meiner augenblicklichen Lage mehr als fair, und wir verblieben so.
Eine weitere freundliche Mitarbeiterin aus dem Verkauf fuhr mich sogar noch zum Bahnhof, und vorher hatte meine Visitenkartensammlung auch noch reichlich Zuwachs bekommen.

Reichlich Visitenkarten

Zurück in Köln verging natürlich kaum ein Tag, an dem mir nicht der Himmel auf den Kopf fiel, und mit allen Möglichkeiten, die ich hatte, versuchte ich, einen bezahlbaren Ersatzmotor für den Manni aufzutreiben, denn das erschien mir nach reiflichen Berechnungen inzwischen als die einzige Alternative, oder besser: die mit dem geringsten Verlust.

Wiederverkaufen ließ sich so ein Fahrzeug ohne Motor wahrscheinlich in etwa so gut wie ein drei Jahre alter Kanten Leinsamenbrot, und wie ich dem Vorbesitzer die Verantwortung für etwas geben sollte, dessen Eintreten eigentlich unmöglich ist, war mir auch noch nicht vollkommen klar...

Es dauerte dann in etwa einen Monat, bis eine gute Freundin aus Berlin auf einem Schrottplatz in der Nähe der Hauptstadt erstaunlicherweise ein passendes Antriebsaggregat auftreiben konnte.
Sofort ertelefonierte ich sämtliche Details, und schnell stand fest, daß das wohl meine letzte Chance war.
Ich mußte diesen Motor haben!

An jenem Tag tat ich folgendes:
Ich suchte mir online mehrere Zugverbindungen von Köln nach Berlin für die kommenden Tage heraus.
Ich bekräftigte dem Ersatzteilhändler gegenüber mein ungebrochen starkes Interesse an jenem Motor und versprach, mich umgehend bezüglich eines Abholtermins bei ihm zu melden.
Ich buchte online bei einer Autovermietung in Berlin ein Citroën-Berlingo-artigen Pkw und synchronisierte den Abholzeitpunkt mit den zuvor eingeholten Zugverbindungen.
Schließlich synchronisierte ich auch noch den Ersatzteilhändler mit dem ganzen Rest, setzte das Chemnitzer Autohaus über alles in Kenntnis, und der Plan stand.

Zwar hatte ich nach wie vor nicht die geringste Ahnung, wie ich das alles bezahlen sollte, was da noch auf mich zukam, aber wenigstens hatte ich wieder einen Plan...




1. November 2002.
Der ICE 'Klaus-Eugen Keineahnung' verläßt Köln auf dem Weg in die neue Hauptstadt der BRD.
Es ist noch früh und wochentags, Nebensaison, erfrischend wenig Kleinkinder an Bord. Andere Passagiere unterhalten sich über Marathonläufe zu Fuß und auf Inline-Skates.
Irgendwo dazwischen sitze ich.

Ich wollte das jetzt tatsächlich durchziehen.
Mit dem Zug nach Berlin schippern, dort den Mietwagen in Empfang nehmen, über die Dörfer zu diesem Schrottplatz am Arsch der Welt rausgurken, mir den Motor in die Bütt schmeißen lassen, damit weiter nach Chemnitz zuckeln, das Ding vor der Werkstatt abwerfen, den Mietwagen in Chemnitz zurückgeben und im günstigsten Fall am Ende des Tages einen volltransplantierten Manni wieder in Empfang zu nehmen, noch mehr Geld zu verlieren und diese unglückliche Episode ein für allemal hinter mir lassen.

Soweit der Plan.
Und in anbetracht des Wahnsinns, der dem ganzen zugrunde lag, muß ich im nachhinein sagen, daß erstaunlich viel davon sogar funktioniert hat.
Lediglich als ich mit dem Ersatzmotor hinten drin wieder von dem Schrottplatz wegwollte, klemmte ich ungeplant lange hinter einer defekten Bahnschranke, welche bei meiner Ankunft noch tadellos arbeitete, sich inzwischen aber einfach nicht mehr öffnete.

Dadurch und durch einen Feierabendstau kurz vor Chemnitz verlor ich wertvolle Zeit, und als ich meinen Motor endlich abliefern konnte, blieb leider nicht mehr genug Zeit für den fliegenden Einbau.

Wieder mußte ich die Stadt mannilos verlassen, ich brachte den Mietwagen weg, spazierte zum Bahnhof und war auf der Stelle entsetzt.
Die allerletzte Verbindung raus aus diesem Kaff ging direkt fünf Minuten (!) nach meinem Eintreffen und bestand aus einem Schienenersatzverkehr (sprich: Bus) an Milchkannen vorbei zum nächstgrößeren Verkehrsknotenpunkt und dortigem Umsteigen in eine Bimmelbahn, die nicht einmal mehr an einer Milchkanne vorbeikam.

Auf diese Weise gelangte ich müde und hungrig bis nach Leipzig.
Wo ich sodann fünfeinhalb Stunden Aufenthalt hatte...

Hier ist übrigens der Beweis für diese Unverschämtheit, für die mir die Deutsche Bahn dann auch noch ein halbes Monatsgehalt abzuknöpfen wagte:

Ein unverschämter Bahnverbindungsinfozettel
Gesamtreisezeit 15 h! Donnerwetter!

Ich sach euch: Leipzig in Ehren, und tagsüber ist es draußen vielleicht auch mal ganz schön - aber diesen Bahnhof will ich in meinem Leben nie wiedersehen!
Nach dieser Nacht kannte ich alle Plakate auswendig, hatte mich schon wieder erkältet und kam mir vor, als könnte ich jederzeit im Stehen einschlafen.
Während der Nacht war an Schlaf nicht zu denken gewesen. Der Aufenthaltsraum des Bahnhofs war unbenutzbar, weil da die Penner ihr Nachtquartier bezogen hatten, es nach Methanol und alten, ungewaschenen Obdachlosen stank, und das Licht, das ich zum Lesen meines Buches benötigte, alle anderen störte.

Schließlich erwies sich Das Große Gelbe M als Rettung der Nacht, da sie da als letzte zu und als erste wieder aufmachten. Dazwischen konnte ich durch die Scheibe den Putzfrauen drinnen beim Saubermachen zugucken, und kaum hatten die wieder aufgesperrt, gab's auch schon frischen Kaffee...

In meiner Zeitvertreiblektüre kam ich halbwegs voran, zwischen den Kapiteln ging ich auf und ab, um mich aufzuwärmen und wach zu bleiben.
Ein paarmal wurde ich von den lokalen Punks angeschnorrt, das erste Mal gab ich ihnen noch was, danach fragte ich mich nur, ob sie mich tatsächlich von vorhin nicht mehr wiedererkannten.

Es wurde Morgen und mein Zug kam.
Ich glaube, ich hatte wieder Doppelkeks dabei, aber ich weiß auf jeden Fall, daß ich sowas seit damals nicht mehr runterkriege.

Zwei Wochen dauerte es diesmal noch, bis ich erneut Zeit fand, mich in den Osten zu meinem mittlerweile fertiggestellten Manni zu begeben, um ihn abzuholen.
Ich war inzwischen oberpleite und gedachte daher, um Geld zu sparen, diesmal auf die Bahn zu scheißen und eine Mitfahrgelegenheit zu nutzen.
Die erste platzte dann auch prompt, aber glücklicherweise fand sich für den anberaumten Tag noch eine zweite, und ab ging die Post.

Es war der reinste Horror!
Die Fahrerin entpuppte sich als blondes Osthühnchen, das den Führerschein erst seit einem Jahr oder so hatte und immer während der Fahrt mit dem Handy telefonieren mußte.
Anfangs saß ich hinten, da war es nicht ganz so schlimm, aber später mußte ich als Größter von uns nach vorne.
Unser Hühnchen hatte ihr Auto ökonomisch mit Personen bis unters Dach vollgestopft und zwitscherte mit dieser Ladung munter telefonierend oder sendersuchend fahrstreifenübergreifend im Bereich um die 160 km/h gen Osten...

Das Autohaus an der Blankenburg erschien mir, als wir endlich doch dort ankamen, bereits so vertraut, als wäre ich dort zuhause.
Meine Hände schmerzten vom krampfhaften heimlichen Beten zwischen den Beinen während der Fahrt, aber ich lebte noch.
Und endlich, endlich würde ich einen neumotorisierten Manni wieder in meine Arme schließen können (symbolisch)!

Ich wickelte alle Formalitäten ab, sah auch meine endgültig letzten Kröten davonziehen, räumte mein Säckchen in den Manni, wollte ihn starten - und nix passierte.

Tot.

Wenn es jemals einen Moment gegeben haben sollte, an dem ich dem Glauben an einen Gott ferner war, so handelte es sich um jenen..!

Ich mobilisierte die Mechanikerschaft aufs Neue, und es war auch schon wieder dunkel draußen und kalt obendrein.
In wechselnden Paarungen kroch schließlich noch einmal die komplette Werkstattbelegschaft durch Mannis Motorraum, wunderte sich zu Recht, warum neulich beim Probelauf noch alles funktionierte und nun plötzlich nicht mehr, und am Ende mußten sie doch wieder den Gabelstapler holen, um den Manni damit in die Halle zu ziehen, wo die Arbeitsbedingungen besser waren.

Die Minuten robbten dahin, die Mienen der Mechaniker waren tiefschwarz herbstumwölkt, und auch mir war schon gar nicht mehr so gut zumute.

Dann kam die Entwarnung.
Aus irgend einem Grunde war ein winziges Keramikröhrchen, das wohl normalerweise an der Glühanlage für Kontakt zwischen Draht und Kerzen sorgt, nicht an seinem Platz gewesen, und während der Kontakt bei der Probe wohl noch zufällig gehalten hatte, hatte er sich irgendwann danach gelöst und so den gesamten Glühstromkreis unterbrochen.

Mann, es gab schon wirklich tolle Zufälle im Leben, was?

Hätte sich dieser Kontakt erst viel später - z.B. auf meinem Nachhauseweg - gelockert, wäre ich wieder dagestanden und hätte 'ne Fresse gezogen wie 'ne ausgekotzte Pizza, seien wir doch mal ehrlich..!

Nach einer Odyssee biblischen Ausmaßes konnte ich also jetzt dem Osten endgütig Lebwohl sagen - und diesmal der Manni ebenfalls.
Vielleicht würden wir ja sogar irgendwann in diese Gegend zurückkehren, so etwas sollte man nie ganz ausschließen.
So bald allerdings wird das nicht der Fall sein.

Einen Tag später erreichten der Manni und ich wohlbehalten Köln.

Damit ist diese Geschichte zu Ende.




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